Ursprung, Geschichte und aktuelle Kontroversen

In Deutschland erfreut sich der Jack Russell Terrier wachsender Beliebtheit. Die quirligen Vierbeiner gelten als besonders sportlich, intelligent, lustig, gesund und weisen einen ausgeprägten Jagdtrieb auf. Doch was ist eigentlich ein Jack Russell Terrier? Sind das nicht die Kurzhaarigen und Kurzbeinigen? Und die Parsons die Hochbeinigen? Diese Fragen mögen zunächst recht simpel klingen – ihre Beantwortung ist jedoch äußerst komplex, gibt es doch bei kaum einer anderen Rasse so viele Verwirrungen um die verschiedenen Namen, das Aussehen, die Entwicklung und die Gegenwart.

In den 70er und 80er Jahren kamen durch Pferde und Reiter viele Jack Russells aus England nach Deutschland. Viele waren kurz- und krummbeinig, dackelförmig, übermäßig bunt und/oder mit Stehohren: sogenannte „Reiter-Jackies“. Natürlich handelte es sich meist um ganz niedliche Hunde, die auch oftmals ein freundliches Wesen hatten, nur leider führte es dazu, dass landläufig ein völlig falsches Bild von einem korrekten Jack Russell herrschte und auch heute noch herrscht. Befeuert wird dies durch die Anerkennung der kurzbeinigen Exemplare als „Jack Russell Terrier“ durch die FCI. Aber darauf gehe ich später genauer ein.

Um die Ursprünge der Rasse zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Im England des 19. Jahrhunderts lebte der Pfarrer (engl.: „Parson“) John Russell, der von vielen Leuten einfach „Jack“ genannt wurde. Pfarrer Jack Russell war ein leidenschaftlicher Jäger und Hundezüchter. Insbesondere die Fuchsjagd hatte es ihm angetan. Im Jahr 1819 erwarb er schließlich von einem Milchmann die Terrier-Hündin „Trump“, die die Stammmutter seiner Zucht wurde. Obwohl Jack Russell auch Gründungsmitglied des Kennel Clubs 1873 (Dachverband der britischen Hundezuchtvereine) war, ließ er seine eigenen Hunde dort nicht registrieren. Zu groß waren seine Bedenken, dass durch die Zucht auf hauptsächlich optische Gesichtspunkte das wunderbare Wesen, verbunden mit den jagdlichen Eigenschaften, leiden würde, denn darauf lag der Fokus seiner Zucht; die Optik kam erst an zweiter Stelle. Ihm war wichtig, dass seine Hunde den Fuchs nur verbellen, um ihn aus dem Bau zu sprengen, ohne den Fuchs anzugreifen. Eine übermäßige Schärfe war demnach unerwünscht und auch wenn sie heutzutage von manchen Jägern gewünscht und sogar züchterisch forciert wird, ist sie nicht rassetypisch. Den Hunden Jack Russells eilte bereits so nach kurzer Zeit der Ruf voraus, dass sie exzellente Begleiter für die Fuchsjagd seien. Sie waren furchtlos, intelligent und passten auf Grund ihres geringen Brustumfangs auch problemlos in die Fuchsbauten.


Parallel dazu ergab es sich jedoch, dass Hundeausstellungen immer beliebter wurden und viele ihre Terrier deshalb in offizielle Zuchtbücher eintragen ließen. Auf diesen Ausstellungen wurde besonders viel Wert auf das äußere Erscheinungsbild der Vierbeiner gelegt. Im Laufe der Jahre veränderte sich daher das optische Erscheinungsbild der nun als Foxterrier eingetragenen Hunde immer weiter, bis sie schließlich so aussahen, wie wir sie heute kennen – mit schmalen Köpfen, tiefen Brustkörben und kurzen Rücken. Übrig blieben die arbeitenden Terrier Südenglands, die lange Jahre so blieben wie sie waren und später nach ihrem berühmtesten Züchter einfach „Jack Russell Terrier“ genannt wurden.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch einige Nachkommen aus der Zucht Jack Russells nach Australien importiert. Dort verbreitete sich zu jener Zeit der Rotfuchs sehr stark und wurde entsprechend bejagt. Da der Rotfuchs in Australien oft in Kaninchenbauten siedelte, erwiesen sich dort insbesondere kleinere Exemplare als jagdtauglich. Die Entwicklung der Rasse nahm dort aber eine andere Richtung ein als im Ursprungsland England – kurzläufige Hunde mit einem längeren Rücken waren die Folge. Natürlich kamen auch in England diese Hunde vor und wenn sie gut jagten, wurde auch mit ihnen gezüchtet, aber sie waren niemals das Zuchtziel. Warum sich die Rasse in Australien immer weiter vom ursprünglichen Typ entfernte, darüber kann man nur spekulieren. Ich vermute die Inzucht auf hauptsächlich kleine Terrier unter 30 cm als Ursache. Über die Daseinsberechtigung des kurzbeinigen Typs lässt sich sicher streiten, aber unstrittig ist, dass sie nicht dem entsprechen, was der Rassebegründer, dessen Namen sie tragen, eigentlich wollte.


Obwohl sie damals noch keine eigene Rasse darstellten und auch vom Typ recht unterschiedlich waren, hatte sich in England im Laufe der Zeit umgangssprachlich die Bezeichnung „Jack Russell Terrier“ eingebürgert. Da die Hunde vor allem unter den Jägern viele Liebhaber hatten, entstand im Jahr 1974 in England der „Jack Russell Terrier Club of Great Britain“, der auch den ersten offiziellen Standard erstellte. In diesem Zuge wurde festgelegt, dass Jack Russell Terrier eine Größe zwischen 10 Zoll und 15 Zoll (25,4 cm bis 38,1 cm) aufweisen. Es gibt demnach kleinere und größere Exemplare, die jedoch alle die exakt gleichen Proportionen aufweisen müssen. Auf Ausstellungen außerhalb der FCI und der Kennel Clubs werden die Hunde unter 30,5cm und über 30,5 cm nach wie vor getrennt, aber nicht züchterisch. Beide Größen können miteinander verpaart werden und es können auch in den Würfen alle Größen fallen. Nach einiger Zeit kam es innerhalb der Britischen Jack Russell Terrier Clubs zu Meinungsverschiedenheiten. Während der ursprüngliche Gedanke Russells war, brauchbare Jagdhunde zu züchten, strebten einige Klubmitglieder die offizielle Anerkennung der Rasse an; auch, um an Ausstellungen teilnehmen zu können. Der Parson Russell Terrier Club (UK), der Anfang der 80er gegründet wurde, beantragte Ende der 80er die Anerkennung durch den Kennel Club, was schließlich im Januar 1990 auch gelang. Die Fédération Cynologique Internationale (FCI) erkannte die Rasse 1991 zunächst vorläufig und im Jahr 2001 dann endgültig an. Der offizielle Name der Rasse lautete jetzt „Parson Russell Terrier“. Im Ergebnis war die Rasse nun offiziell anerkannt und zog in die Showringe der Welt ein. Gerichtet wird der Parson Russell Terrier nun von Richtern, die meist weder die Ursprünge der Rasse und deren Besonderheiten kennen, noch einen Hund richtig umspannen können (oder wollen). In der neuen Rassedefinition wird viel Wert auf eine hohe Einheitlichkeit gelegt und der ursprüngliche Standard wurde in einigen wichtigen Punkten, z.B. was den Brustumfang und Größe angeht, verändert. So wurde festgelegt, dass der Brustkorb nicht mehr „flach und schmal“ sein sollte, sondern von „mäßiger Tiefe“. Weiterhin wurde die ideale Größe im oberen Bereich des Größenspektrums definiert (Rüden 36 cm, Hündinnen 33cm Schulterhöhe) – was den ursprünglichen Kriterien von 1974 widersprach, da diese auch kleinere Größen zuließen. Terrier unter 30 cm wurden damit nun von der Zucht ausgeschlossen. Mittlerweile ist dieser Schlag auch anderen Vereinen fast eine Rarität und es wäre sehr schade, wenn er irgendwann komplett verschwindet.


Nachdem nun der Parson Russell Terrier offiziell anerkannt war, wurden auch in Australien die Rufe nach einer offiziellen Anerkennung lauter, da die australischen Jack Russell Terrier auf Grund der anatomischen Unterschiede nicht dem Parson Russell Terrier zugeordnet werden konnten. Stattdessen gelang es, die australische Zuchtlinie bzw. den australischen Typ als eigenständige Rasse von der FCI anerkennen zu lassen. Die vorläufige Anerkennung erfolgte im Jahr 2000, die endgültige dann im Jahr 2003. Der offizielle Name der Rasse wurde von der FCI als „Jack Russell Terrier“ festgelegt, womit auch all die, die außerhalb Australiens teilweise schon über Jahrzehnte den kurzbeinigen Typ ohne jegliche Standards vermehrten, nun „von ganz oben“ eine Legitimation bekamen.


Die von der FCI festgelegten Rassedefinitionen birgen ein gewisses Konfliktpotenzial, welches in den verschiedenen Zuchtklubs oft kontrovers diskutiert wird. Gemäß dem ursprünglichen Gedanken von Pfarrer Jack Russell spielte die optische Einheitlichkeit eine untergeordnete Rolle – stattdessen standen jagdliche und charakterliche Eigenschaften im Vordergrund. Eine gewisse Toleranz in der Größe war daher auch in den 1974 festgelegten Kriterien vom Jack Russell Terrier Club of Great Britain durchaus gewollt. Stattdessen haben wir nun aber eine Situation, in der es zwei von der FCI anerkannte Rassen gibt, die sich auf die Zucht von Pfarrer Jack Russell berufen: den Parson Russell Terrier (31 – 38 cm Schulterhöhe) und den kurzbeinigen Jack Russell Terrier (25 – 30 cm). Und es gibt den Sachverhalt, dass es Vereine und Züchter gibt, die den Gedanken von John Russell folgend keinem der „offiziellen“ Standards folgen und ihre Hunde nach dem englischen Originalstandard von 1974 züchten, unabhängig von Modeströmungen der Showringe der offiziellen Vereine. Diese Hunde werden ebenfalls Jack Russell Terrier genannt, sind dabei aber keineswegs die niederläufige Variante des Parson Russell Terriers (auch wenn das überall so propagiert wird), sondern besitzen dieselben Proportionen im wie schon angeführten Größensprektrum von 25,4 – 38,1 cm. In diesen Vereinen wird außerdem ein größerer Wert auf eine flexible, gut zu umspannende Brust gelegt.


Ich züchte Jack Russell Terrier nach dem englischen Originalstandard im Jack Russell Terrier Club of Denmark und möchte dazu beitragen, dass er in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleibt. Neben einem harmonischen Körperbau ohne Extreme oder Übertreibungen lege ich viel Wert auf ein freundliches und soziales Wesen – verbunden mit Intelligenz, Selbstbewusstsein und Witz. Ein gewisser Jagdtrieb gehört zur Rasse und sollte durch eine adäquate Erziehung in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Mit regelmäßigen Such- und Apportierspielen oder Hundesport wie Agility kann und sollte der Hund seinen Anlagen und Vorlieben entsprechend ausgelastet werden. Diese Rasse ist nichts für Couchpotatoes und nutzt jede Schwäche ihrer Besitzer gnadenlos aus. Bei einer klaren Linie, verbunden mit viel Zuwendung und Beschäftigung, hat man allerdings den idealen Begleiter, der gern überall dabei ist, über eine hohe Anpassungsfähigkeit verfügt und mit dem man einfach Spaß haben kann.

Rassestandard